Fachvortrag: Sufismus vs. Salafismus
Seit dem 11. September 2001 und spätestens seit der Ankunft von Flüchtlingen aus Syrien, Irak und Afghanistan ist die Stimmung in Deutschland aufgeheizt. Für viele sind Muslime zum Feindbild geworden. Der Begriff Salafismus ist in aller Munde und prägt gegenwärtig das Bild des Islam in der Öffentlichkeit. Was ist unter Salafismus zu verstehen? Ist der Salafismus per se als extremistisch und gewaltbereit einzuordnen? Gibt es, neben den über präsentierten extremistischen Auslegungen des Islam, eine friedliche und tolerante Leseart des Islam?
Am 08. Juli haben wir von Ayla Dabazoğlu, der angehenden Religionswissenschaftlerin, einen tiefgreifenden und ausführlichen Einblick zum Thema Sufismus und Salafismus erhalten. In Ihrem Fachvortrag ist Sie auf die Definition, die Unterschiede und das religiöse Konzept der beiden Richtungen eingegangen. Schemenhaft erklärte Sie uns die islamische Geschichte und setzt den Schwerpunkt auf den historisch-theologischen Kontext.
Zusammenfassend vom Fachvortrag kann gesagt werden, dass die dschihadistischen Salafisten auf folgende religiöse Konzepte zurückgreifen. Der Koran wird wortwörtlich ausgelegt. Andere Muslime können zu Ungläubigen erklärt und getötet werden. Alle Traditionen und Denkrichtungen, die nach der Zeit der „rechtschaffenen Altvorderen“ entstanden ist, werden als „Neuerung“ angesehen und abgelehnt. Mit diesen Konzepten versuchen sie sich Selbst und die Gesellschaft in religiöser Hinsicht reinzuhalten. Mit dem Konzept des „takfir“, entlarvt der Salafist „angebliche“ Muslime, die den Islam „verschmutzen“. Nach ihrer Auffassung können diese dann vernichtet werden, um die Gefahr der „Beschmutzung“ loszuwerden. Das eigen Selbst und die eigene Psyche empfindet der Salafist als rein. Er fühlt sich einer ständigen Beschmutzung, die von außen kommt, ausgesetzt. Das Böse kommt von außen und liegt nicht in der eigenen Verantwortung. Der Salafist arbeitet nicht an sich selbst, sondern er versucht die vermeintlich Gotteslästerliche Welt zu reinigen.
Der Sufismus hat ebenfalls seine theologisch historischen Anknüpfungspunkte schon in der frühislamischen Geschichte. Den Sufismus kann man als die innere Dimension des Islam bezeichnen. Ziel des Sufis ist es, die absolute Einheit und Einzigartigkeit Gottes zu reflektieren und zu verinnerlichen. Durch die Abkehr von der Welt soll die Disziplinierung und Reinigung des Selbst von weltlichen Begierden erreicht werden. Sufis können sowohl umherschweifende Derwische sein, als auch Gläubige, die ihre Nächte in schweigender Meditation verbringen und am Tage ihren alltäglichen Beschäftigungen nach gehen. Der Begriff Sufismus soll vom arabischen Wort „ṣūf“ abstammen. Ṣūf bedeutet „Wolle“ und symbolisiere das Wollgewand der Asketen. Aber auch Versuche den Begriff vom griechischen Wort sophos, „Weisheit“ und dem arabischen Wort ṣafā, „Reinheit“ abzuleiten wurden unternommen. Eine andere Ableitung des Wortes führt direkt zum Propheten Muhammad, demnach sollen die Sufis die Nachfolger der „ahl as ṣuffa“, „Leute der Vorhalle“ sein, welche ein asketisches Leben im Hofe des Propheten führten. Es wurden Versammlungen abgehalten, um gemäß der Empfehlung des Korans, so oft es geht, Gott zu gedenken (ḏikr allah). Um eine gewisse Gottesnähe zu erreichen, seien bestimmte Gebete immer wieder wiederholt worden. Diese Übung, die auch heute noch praktiziert wird, wird „ḏikr“ genannt. Ab Mitte des 8. Jahrhunderts ist von Gläubigen die Rede, die Musik (samaʿ) und Dichtung in ihren Zusammenkünften eingesetzt haben sollen, um eine innigere Beziehung zu Gott auf zubauen.
Ziel des Sufis ist es, seine Begierden und Neigungen zu erkennen und zu überwinden. Das eigene Selbst steht immer wieder unter Verdacht. Im Gegensatz zu Salafisten kommt die Verschmutzung nicht aus einer „gotteslästerlichen Außenwelt“, sondern aus dem eigenen Selbst. Abwegige Wünsche und illegitime Neigungen verunreinigen die eigene Seele. Der Dschihad des Sufis ist, die Reinigung des Selbst. Dieser Prozess der Reinigung nimmt kein Ende. Da jede Regung des Selbst steht immer wieder unter Verdacht steht, muss der Sufi bis zu seinem Tod an sich arbeiten.
Quellenverzeichnis:
1 http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/islam-lexikon/ [08.07.2018]. Das Kleine Islam-Lexikon bietet einen sehr guten Überblick zu unbekannten islamischen Begriffen.
2 Hans-Thomas Tillschneider: „Die Entstehung des Salafismus aus den Geiste des sunnitischen Islam.“ In Thorsten Gerhard Schneiders (hg.): Salafismus in Deutschland. Bielefeld: transcript Verlag 2014.
3 Rauf Ceylan: Kontextualisierung des Untersuchungsgegenstandes: in: Rauf Ceylan (Hg.) „Lasset uns in sha’a Allah ein Plan machen“. Wiesbaden: Springer VS. 2018.
4 Schimmel, Annemarie: „Sufismus und Volksfrömmigkeit“, in: Peter Antes (Hsrg.): Die Religionen der
Menschheit, Band 25,3, Stuttgart: Kohlhammer 1990, S. 157 – 239.